Vorstellung |  Initiatoren | Fachbeiträge


Light Industrial Real Estate – Eine neue Asset-Klasse etabliert sich auf dem deutschen Markt

 

Von Julian Seger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Prof. Dr. Andreas Pfnür, Leiter des Forschungscenters Betriebliche Immobilienwirtschaft an der TU Darmstadt

 

Kontinuierlich fallende Renditen in den etablierten Immobilien-Asset-Klassen (z.B. Büro, Handel, Logistik) lassen das Interesse an alternativen Anlagemöglichkeiten wie den „Light Industrial Real Estate“ in Deutschland wachsen. Jedoch konnten sich hierzu in Deutschland bislang weder ein einheitliches Verständnis, noch eine Begriffswelt durchsetzen. Im Anglo-amerikanischen Raum fasst man unter dem Begriff „Light Industrial Real Estate“ nicht nur Immobilien zur Fertigung, sondern noch weitere Nutzungsarten wie Büro, Logistik, Lager, Showrooms oder Flächen fertigungsbezogener F&E zusammen. Vergleichend hierzu wird in einer von Aurelis Real Estate in Auftrag gegebenen Studie unter Federführung der Professoren Pfnür (TU Darmstadt) und Just (IREBS Immobilienakademie) ein ähnlicher Ansatz verfolgt (Aurelis-Studie). In der Aurelis-Studie wird eine Kategorisierung als produktionsnahe Immobilien vorgeschlagen, deren „Nutzung maßgeblich durch Fertigungsprozesse bedingt wird.“ Hierunter lassen sich Produktionshallen, Showrooms, Büro- und Lagerflächen mit einem direkten oder indirekten Produktionsbezug subsumieren. Gleichzeitig gewährleistet die Betonung der Produktionsnähe eine höhere Trennschärfe zu den Etablierten Asset-Klassen z.B. Büro, Handel, Logistik und Hospitality/Gesundheit (siehe Abbildung 1) als dies bei alternativen Ansätzen der Fall wäre. So wird der Begriff Light Industrial Real Estate im deutschsprachigen Raum oftmals dem Terminus Unternehmensimmobilien gleichgesetzt. Die Initiative Unternehmensimmobilien beschreibt diese als gemischt genutzte Gewerbeimmobilien mit typischerweise mittelständischer Mieterstruktur und Mischnutzung aus „Büro-, Lager-, Fertigungs-, Forschungs-, Service- und/oder Großhandelsflächen sowie Freiflächen“ (Initiative Unternehmensimmobilien 2016, Marktbericht 5, S. 6). Hierunter werden die Immobilienkategorien Gewerbeparks, Lager-/Logistikimmobilien, Produktionsimmobilien sowie Transformationsimmobilien zusammengefasst. Sowohl der deutsche Begriff „Unternehmensimmobilie“ als auch die englische Übersetzung „Corporate Real Estate“ sind jedoch missverständlich, da hierdurch alle von Unternehmen genutzten Immobilien wie z.B. auch Büro-, Handels- und Logistikimmobilien verstanden werden. Im Folgenden sollen deshalb Light Industrial Real Estate und produktionsnahe Immobilien als Synonyme verstanden werden.

Abbildung 1: Produktionsnahe Immobilie (Quelle Aurelis-Studie 2016)

Durch die begriffliche Einordnung konnten bereits die Produktionsnähe sowie die Mischnutzung als zwei wesentliche Merkmale von Light Industrial Real Estate identifiziert werden. Produktionsnahe Immobilien lassen sich besonders im Umfeld von Groß- und Mittelstädten und des Weiteren peripher am Stadtrand verorten. Hinsichtlich der Mieterstruktur und Drittverwendungsfähigkeit wird nach der Initiative Unternehmensimmobilien zwischen Neuentwicklungen und Altbeständen differenziert. Während ältere Bestände eher Einzelvermietungen und Einschränkungen hinsichtlich ihrer Drittverwendungsfähigkeit aufweisen, exponieren sich Light Industrial Real Estate nach einem Redevelopment durch eine erhöhte Drittverwendungsfähigkeit sowie eine Multi-Tenant-Struktur. Die genannten Merkmale ermöglichen eine klare Abgrenzung zu den etablierten Asset Klassen, die in der Regel durch eine einheitliche Flächenzusammensetzung (z.B. bei Büro oder Handel) sowie durch lediglich einen Nutzer gekennzeichnet sind. Neben einer klaren Abgrenzung zu Logistikzentren müssen produktionsnahe Immobilien ebenfalls von deutlich emissionsstärkeren, kapital- und ressourcenintensiveren Schwerindustrieimmobilien getrennt betrachtet werden.

 

Eine erste Einschätzung der Aurelis-Studie zeigt, dass sich das deutsche Marktvolumen von Light Industrial Real Estate auf etwa 600 Mrd. € beläuft. Dies stimmt in etwa mit dem ermittelten Marktwert der Initiative Unternehmensimmobilien von 547 Mrd. € (Stand 2.H. 2015, Marktbericht 4 S. 29) überein. Das Potenzial dieser neuen Asset-Klasse offenbart sich im direkten Vergleich zum Marktvolumen bereits etablierter Klassen. So weist das Marktvolumen produktionsnaher Immobilien ein ähnlich hohes Niveau auf, wie das der etablierten Büroimmobilien (600 Mrd. € 2. Hj. 2015) bzw. übersteigt das Niveau der Einzelhandelsimmobilien (360 Mrd. € 2 Hj. 2015) deutlich. Ein höheres Investoreninteresse spiegelt sich in den stetig steigenden Gesamtvolumen an durchgeführten Transaktionen, welches sich im Jahr 2015 auf 1,9 Mrd beläuft. Stellt man jedoch das geschätzte Marktvolumen dem Gesamtvolumen der jährlichen Transaktionen gegenüber, werden die Potenziale erst deutlich. Gleichzeitig wird erkennbar, dass sich die Asset-Klasse Light Industrial Real Estate noch im Anfangsstadium ihrer Etablierung auf dem deutschen Markt befindet. Trotz fallender Renditen – auch im Light Industrial Real Estate Segment - liegen diese laut der Initiative für Unternehmensimmobilien mit durchschnittlich 8,2 % im Jahr 2016 über den Renditen der „klassischen“ Asset-Klassen (Initiative Unternehmensimmobilien 2016, Marktbericht 5, S. 4ff).

 

Einen nicht unwesentlichen Treiber der Nachfrage seitens der Investoren wie auch Mieter stellen die Laufzeiten der Mietverträge dar. So lag die durchschnittliche Mietvertragslaufzeit in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 bei etwa 2,6 Jahren (Initiative Unternehmensimmobilien 2016, Marktbericht 5, S. 24). Hier zeichnet sich die in der Aurelis-Studie beschriebene Zielsetzung der Non-Property-Unternehmen nach einer erhöhten Portfolioflexibilität ab. Die kurzen Mietvertragslaufzeiten ermöglichen den Mietern auf kurzfristige Auftragsänderungen zu reagieren und flexibel Flächen anzumieten. Der strukturelle Wandel, speziell der steigende Wettbewerb sowie eine volatilere Nachfrage nach Produkten, dürfte diesen Trend zur Flexibilisierung des Bestandes von Non-Property-Unternehmen fortsetzen. Gleichzeitig ermöglichen Mietvertragslaufzeiten von bis zu 20 Jahren nicht nur den Mietern ein langfristiges betriebliches Fundament, auch die Investoren profitieren von langfristigen und stabilen Erträgen. Die unter Investoren noch weit verbreitete Wahrnehmung einer besonders risikobehafteten Asset-Klasse lässt sich durch die beschriebenen Vorteile als überholt einstufen. Dagegen sind die hohen Eigentumsquoten von bis zu 85% seitens der Non-Property-Unternehmen als weitaus problematischer zu werten. Die Aurelis-Studie zeigt, dass eine zu hohe Spezifität der Flächen nicht ursächlich dafür sein kann, dass sich produzierende Unternehmen institutionellen Investoren verschließen. In ihrer Umfrage geben etwa Zweidrittel der Befragten Unternehmen an, dass ihre produktionsnahen Immobilien auch von Dritten genutzt werden könnten. Damit erscheint die Überbewertung der Spezifität seitens der Nutzer als ungerechtfertigt. Dies ist auch für Investoren von besonderer Bedeutung, da eine niedrigere Spezifität eine erhöhte Drittverwendungs- und Marktfähigkeit bedeutet, was sich wiederum positiv auf den Leerstand auswirkt. Ein wesentlicher Grund für die im internationalen Vergleich hohen Eigentumsquoten dürfte darin liegen, dass (anders als in den USA oder in Asien) in Deutschland niedrige Eigentumsquoten nicht vom Kapitalmarkt in Form eines höheren Börsenwertes honoriert werden. Dennoch kann die Aurelis-Studie aufzeigen, dass die befragten Non-Property-Unternehmen in den nächsten zehn Jahren ihre Eigentumsquote um etwa 5% reduzieren möchten, was als eine „Öffnung“ zu institutionellen Investoren hin gedeutet werden kann. Diese Tendenz wird sich weiterhin positiv auf den Markt für produktionsnahe Immobilien auswirken. Non-Property-Unternehmen werden ihren Bestand von Light Industrial Real Estate institutionellen Investoren zur Verfügung stellen und gleichzeitig zu Mietmodellen neigen.

 

Es ist davon auszugehen, dass sich die neue Asset-Klasse produktionsnaher Immobilien in Deutschland weiter entwickelt und in naher Zukunft keine Nischen-Klasse mehr darstellt. Ähnliche Potenziale sehen namhafte Investoren, Nutzer wie auch Dienstleister der Immobilienbranche, die im Zuge der jährlich stattfindenden Sommerkonferenz 2016 der TU Darmstadt in einer Vielzahl von Präsentationen und Diskussionsrunden zum Thema „Produktionsnahe Immobilien“ konferierten.

 

[Download Aurelis-Studie]